Dienstag, 15. April 2008

Roxanne auf der Blockflöte

Roxanne auf der Blockflöte, oder: Wenn Holz wirklich rotzig wird
"Wildes Holz" interpretiert Songs von der Sesamstraße bis Steppenwolf

06.04.2008 • MENDENIrgendwie kommt einem diese Tonfolge bekannt vor, aber so hat man das noch nicht gehört. - Oh, es ist tatsächlich "Walk on the wild side". Wenn Lou Reed das wüsste! - Dass man dieses Stück mit Blockflöte, Kontrabass und Gitarre derart mitreißend interpretieren kann. "Wildes Holz" stieg am Freitagabend auf der Wilhelmshöhe gleich mit einem Rock-Klassiker ein und während den einen das Dupdidupdupdupdidupdup... auf den Lippen lag, kamen die anderen mit den Tempo, das Wildes Holz vorgab, kaum mit - großartig!
Mit verblüffend ansteckender Fröhlichkeit startete Wildes Holz in einen Tanz durch die Musikrichtungen und zeigte vor allem anhand von Kinderliedern, Rock und Pop, wie die klingen können, wenn kreative Köpfe Blockflöte, Kontrabass, Gitarre beherrschen und zusammen bringen. Vielleicht ist es aber auch wirklich außergewöhnlich wildes Holz, aus dem die Instrumente dieser drei Herren gebaut wurden; denn was Tobias Reisige, Markus Conrads und Anto Karaula mit Blockflöten, Kontrabass und Gitarre veranstalten, ist alles andere als "O-du-selige"-Musik, sondern sehr frech.
Doch wer wie diese drei ausgebildeten Musiker Theorie und Techniken als Grundlage für allerlei Spielerei nutzt, darf gern mal recht frech sein. Zumal diese Form von Frechheit den Respekt vor dem Original stets durchschimmern lässt. Was Tobias Reisige, Markus Conrads und Anto Karaula aus bekannten Stücken herauszaubern - alle Achtung. Aber auch die eigenen Kompositionen machen deutlich, dass Wildes Holz weiß, was es sich und seinen Instrumenten zumuten darf.
Natürlich übernehmen die Blockflöten die Singstimmen, mal im Doppelpack gespielt, mal mit Echo. Der Bass tut so, als wäre er gleichzeitig auch Schlagzeug und Antos Gitarre hat offenbar mehr als sechs Saiten... So scheinen mitunter so viele Leute zu musizieren, wie es Schatten an der Wand des Spiegelsaals gibt. Nebenbei bemerkt: "Sehr gut" auch für Licht und Ton und den Umgang mit dem Publikum.
"Wer-wie-was", das Erkennungslied der deutschen Sesamstraße, ist mit Wildes Holz gewachsen und: Mensch, das ist aber groß geworden!
Bis auf den einsamen Hirten, den Tobias Reisige auch geben kann, gab es lediglich ein durch und durch ruhiges Stück: Mit "Weg" machte Wildes Holz deutlich, dass da jemand gegangen ist, den man sehr vermissen wird. Doch sogar Roxanne - ja, Police werden auch nicht auf ihren drei Akkorden sitzen gelassen - wird von Wildes Holz in Wallung gebracht. Tobias Reisige lässt sich zwar lange bitten - aber schließlich erbarmt sich auch die Blockflöte, trällert nicht wie üblich, sondern gibt sich so rotzig, wie es sich für eine Rotlicht-Szene ziemt.
Wenn sie auch eben noch Hochbarock angestimmt haben - jetzt ist plötzlich Rock - hard und heavy angesagt und: sogar "Wild Thing" klingt mit Flöte, Bass und Gitarre - dem wilden Holz sei Dank! Das einfach gestrichene "Born to be wild" verblüfft den Erstzuhörer vollends und begeistert den Fan immer wieder aufs neue. Und dass im Anschluss die Biene Maja durch den Saal segelt, ist - ja - eigentlich - ähm - nur - folgerichtig. Obwohl man im ersten Moment denkt: "Meine Herren, die trau'n sich was!" Doch längst gilt Pippi Langstrumpfs Motto: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Wildes Holz fordert nicht nur Freiheit für die Blockflöte, sie schafft sie - und aus allem einen unerwarteten Hörspaß.
Und das haben sie am Ende davon: Das Publikum lässt sie nicht gehen. Erst nach unvorhergesehen vielen Zugaben ist Schluss. Schade

Quelle: Mendener Zeitung